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Anwendungsgebiete von rezeptpflichtigem Cannabis: Bei welchen Diagnosen wird es verschrieben?

12 min read

August 28, 2025

Anwendungsgebiete von rezeptpflichtigem Cannabis: Bei welchen Diagnosen wird es verschrieben?

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Julia von CannGo

Julia von CannGo

Online Redaktion

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Seit der Legalisierung von medizinischem Cannabis im März 2017 hat sich die Debatte um die therapeutische Nutzung von Marihuana in Deutschland deutlich verändert. Durch die Einführung des entsprechenden Gesetzes haben Patientinnen und Patienten mit bestimmten Erkrankungen nun das Recht, Cannabis auf Rezept zu erhalten. Die Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte medizinische Kriterien erfüllt sind und alternative Therapien bereits erfolglos ausgeschöpft wurden.Inzwischen ist die Verwendung von verschreibungspflichtigem Cannabis ein fester Bestandteil im deutschen Gesundheitssystem, insbesondere bei chronischen, schwer behandelbaren Erkrankungen.

Was ist Cannabis auf Rezept in Deutschland?

Verschreibungspflichtiges Cannabis umfasst eine Reihe von medizinischen Produkten, die aus der Cannabispflanze gewonnen werden und ausschließlich auf ärztliche Verordnung erhältlich sind. Diese Präparate sind entweder natürliche Cannabinoid-Extrakte oder synthetisch hergestellte Wirkstoffe mit einem definierten Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol) und/oder CBD (Cannabidiol).

Zugelassene Zubereitungen sind:

  • Cannabisblüten - In standardisierter Qualität, getrocknet und zur Inhalation oder Teezubereitung geeignet.

  • Cannabisöle und Extrakte - werden oral eingenommen oder inhaliert.

  • Kapseln mit definiertem Wirkstoffgehalt.

  • Fertigarzneimittel wie Nabilon oder Dronabinol, welche synthetische Cannabinoide enthalten.

Die zentrale Unterscheidung liegt im Wirkstoffprofil: THC (Tetrahydrocannabinol) wirkt psychoaktiv und schmerzstillend, während CBD (Cannabidiol) entzündungshemmend und angstlösend ist, jedoch keine berauschende Wirkung entfaltet. Die Kombination beider Substanzen wird häufig eingesetzt, um eine ausgewogene Therapie mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu ermöglichen.

Wie Cannabis auf Rezept den Körper beeinflusst

Die medizinische Wirkung von Cannabis beruht auf der Interaktion von Cannabinoiden mit dem sogenannten Endocannabinoid-System des menschlichen Körpers. Dieses System reguliert zahlreiche physiologische Prozesse, darunter Schmerzempfinden, Schlaf, Appetit, Immunreaktionen und Emotionen.

THC bindet primär an CB1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem und entfaltet dort seine schmerzlindernde, muskelentspannende und appetitanregende Wirkung. CBD dagegen beeinflusst unter anderem CB2-Rezeptoren im Immunsystem und wird daher insbesondere bei entzündlichen und psychischen Störungen eingesetzt. Je nach Dosierung, Applikationsform und individuellem Krankheitsbild kann Cannabis eine unterschiedlich starke Wirkung entfalten. Während es in manchen Fällen als natürliches Analgetikum wirkt, kann es in anderen Situationen eine sinnvolle Opioid-Ersatztherapie darstellen.

Indikationen für die Verschreibung von medizinischem Cannabis von Rezept in Deutschland

Die Gründe für Cannabis-Rezepte sind in Deutschland gesetzlich und medizinisch klar definiert. Ärztinnen und Ärzte dürfen verschreibungspflichtiges Cannabis dann einsetzen, wenn bei Patientinnen und Patienten mit einer schweren Erkrankung alle herkömmlichen Therapien nicht ausreichend geholfen haben oder wenn diese mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden waren. Die Therapie mit medizinischem Cannabis muss zudem die Aussicht auf eine positive Veränderung des Gesundheitszustands oder eine Verbesserung der Lebensqualität bieten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in enger Zusammenarbeit mit medizinischen Fachgremien einen Katalog von Erkrankungen erarbeitet, bei denen eine Behandlung mit Cannabis auf Rezept als medizinisch sinnvoll erachtet wird. Die offizielle Liste der Cannabis von Rezept beinhaltet dabei zahlreiche chronische und schwer behandelbare Krankheitsbilder, die einer langfristigen und oft multidisziplinären Versorgung bedürfen. Dazu gehören:

  • Chronische Schmerzen (z. B. neuropathisch, rheumatisch oder tumorbedingt).

  • Multiple Sklerose (zur Linderung von Spastik und Schmerzen).

  • Epilepsie (besonders bei therapieresistenten Formen).

  • PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) (zur Minderung von Angst und Schlafstörungen).

  • Angststörungen (bei unzureichender Wirkung klassischer Psychopharmaka).

  • Krebs (Onkologie) (insbesondere bei Chemotherapie zur Reduktion von Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit.).

  • Tourette-Syndrom (zur Kontrolle motorischer und vokaler Tics).

  • Parkinson-Krankheit (insbesondere zur Milderung motorischer Unruhe und Schmerzen).

Diese Krankheitsbilder gelten in Deutschland als medizinisch anerkannt für eine Versorgung mit Cannabis auf Rezept. Es gilt allerdings: Die Behandlung muss begründet und dokumentiert werden, und die Patientinnen und Patienten müssen bereits andere Therapieversuche hinter sich haben.

Regulierung und Zulassung: So erhalten Sie Cannabis auf Rezept in Deutschland

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sehen vor, dass jeder gesetzlich oder privat versicherte Patient medizinisches Cannabis auf Rezept erhalten kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Ärztinnen und Ärzte  dürfen medizinisches Cannabis auf Rezept für jede ernsthafte Krankheit verschreiben – unabhängig von einer konkreten Zulassung des präparats – wenn:

  1. Ein therapeutischer Nutzen zu erwarten ist..

  2. Eine herkömmliche Therapie nicht verfügbar oder nicht verträglich ist.

  3. Der Patient über die Risiken aufgeklärt wurde.

In der Regel erfolgt die Verordnung zunächst in Form einer Ausnahmegenehmigung. Danach kann der Arzt ein Rezept ausstellen, das in Apotheken eingelöst werden kann. Die Dosierung, Anwendungsform (z. B. Inhalation, Öl oder Kapseln) und Dauer der Behandlung werden individuell abgestimmt.

Die gesetzliche Krankenversicherung kann die Kosten übernehmen, wenn ein Antrag genehmigt wurde. Dies ist häufig der Fall bei chronischen Erkrankungen mit eindeutigem Nutzen der Therapie. Eine vollständige Erstattung durch die Versicherung ist aber nicht garantiert und erfordert eine sorgfältige Dokumentation.

Kontraindikationen und Einschränkungen

Trotz der wachsenden Akzeptanz ist medizinisches Cannabis auf Rezept nicht für alle Patienten geeignet.. Zu den wichtigsten Kontraindikationen zählen:

  • Psychotische Störungen oder eine familiäre Vorbelastung mit Schizophrenie.

  • Aktive Substanzabhängigkeit.

  • Schwangerschaft und Stillzeit.

  • Unzureichende Therapietreue.

Auch Kinder und Jugendliche erhalten verschreibungspflichtiges Cannabis nur in sehr seltenen Ausnahmefällen unter engmaschiger medizinischer Begleitung.

Bei unsachgemäßer Anwendung oder zu hoher Dosierung kann es zu Nebenwirkungen kommen: Dazu gehören Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Appetitveränderungen oder seltener Angstzustände und Kreislaufprobleme.

Die Einführung von verschreibungspflichtigem Cannabis im Rahmen der Legalisierung von medizinischem Marihuana war ein bedeutender Schritt im deutschen Gesundheitswesen. Immer mehr Patienten profitieren von der therapeutischen Wirkung bei chronischen Schmerzen, neurologischen Erkrankungen, psychischen Störungen und in der onkologischen Behandlung. Gleichzeitig bleibt der Zugang reglementiert und medizinisch kontrolliert, um Missbrauch zu verhindern und die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten. Durch die fortlaufende Forschung und breitere Akzeptanz im medizinischen Alltag rückt Cannabis zunehmend als natürliches, effektives Analgetikum in den Fokus und bietet damit nicht nur eine Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln, sondern auch ein Stück Lebensqualität für viele Erkrankte.

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